Ökostrom für die Nachbarschaft

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Der Sportausrüster Bergzeit hat eine riesige Photovoltaikanlage auf dem Dach. Etwa die Hälfte des damit gewonnenen Stroms wird ins öffentliche Netz eingespeist. Ein Leuchtturmprojekt in Otterfing bei München.

„Entschuldigung, hast du vielleicht ein bisschen Ökostrom für mich?“ – „Klar, nimm mit!“ Wie wäre die Vorstellung, wenn ein Nachbar mit dieser Frage zum nächsten Nachbarn spazieren und nicht etwa nach Eiern, Milch oder Salz sondern nach Strom fragen könnte? In der Tat läuft es mancherorts bereits ähnlich ab. In Otterfing bei München zum Beispiel. Hier liegt die Zentrale des Online-Händlers Bergzeit, der mutige Wege geht: Dem Logistikgebäude wurde im Rahmen seiner Vergrößerung eine Photovoltaikanlage aufs Dach gesetzt, die rund doppelt so viel Strom produziert als Bergzeit für sich benötigt. Der Überschuss wird ins öffentliche Netz eingespeist und steht der Allgemeinheit zur Verfügung.

Die riesige Photovoltaikanlage von Bergzeit kann die Umgebung mit Ökostrom versorgen © Bergzeit

6.000 Quadratmeter groß ist die Photovoltaikanlage von Bergzeit. Sie besteht aus 1.370 Solarpanel-Modulen und kann damit ungefähr 550.000 Kilowattstunden zertifizierten Ökostrom erzeugen. Wem das jetzt nicht allzu viel sagt: Eine vierköpfige Familie verbraucht im Durchschnitt 4.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Einmal in der Maschine waschen oder drei Minuten lang warm duschen benötigen etwa eine Kilowattstunde Strom. Dass Bergzeit im Grunde übertreibt mit seiner überdimensionierten PV-Anlage, ist lobenswert uneigennützig und ein toller Beitrag zum Thema Ökostrom für alle. Zudem zeugt es von einem verantwortungsvollen und langfristigen Denken. Die Vollauslegung einer solchen Anlage ist nämlich laut Holger Cecco-Stark, Head of CSR Bergzeit, nicht gerade der wirtschaftlichste Weg. Es ist eine Investition in die Zukunft. Ein vorbildlicher Akt in Richtung Energiewende.

Bergzeit wertet die beim Versand verursachten CO2-Emissionen aus und kompensiert sie über Investitionen in Klimaschutzprojekte im In- und Ausland © Bergzeit

45 Prozent des Strombedarfs in Europa könnten aus lokalen Initiativen und Projekten kommen. Energiesharing oder Bürgerenergie unterliegen allerdings vielen Regularien und Restriktionen. An der Infrastruktur hapert es auch noch. Akteure wie Bergzeit sind hier Hoffnung und Vorbild zugleich. Sie haben eine Idee in die Realität umgesetzt, ohne anfangs zu wissen, dass sie damit einen Stein ins Rollen brachten. Die Photovoltaiksache ist nämlich längst mehr als einfach ein paar Solarpanels auf dem Dach.

v.l.n.r. Olaf von Löwis (Landrat Landkreis Miesbach), Holger Cecco-Stark (Bergzeit), Birgit Grossmann (Patagonia) und Rainer Sylla (Elektrizitätswerke Schönau) kooperieren in Sachen Ökostrom für die Nachbarschaft © Bergzeit

Gemeinsam mit dem Outdoorbekleidungshersteller Patagonia und den Elektrizitätswerken Schönau ist daraus eine Initiative entstanden. Partner wie diese sind natürlich ideal. Die EWS, die aus einer Bürgerinitiative entstanden ist und von Stromrebellen im Jahr 1994 gegründet wurde, ist in der Stromverteilung von Bergzeit aktiv involviert. Nachhaltigkeitspionier Patagonia hat vor rund zwei Jahren eine breit angelegte Kampagne gestartet, um über Bürgerenergieprojekte zu informieren und die Menschen in Europa zu motivieren, sich für derartige Projekte zu engagieren. Den 40 Minuten langen Dokumentarfilm „We the Power“ kann man sich auf Youtube ansehen: www.youtube.com/watch?v=75A9WGxoUn8.

Carolin Fried

MINT-Redaktion