Katrin Habenschaden kämpft für den Klimaschutz. Unsere zweite Bürgermeisterin will vorhandene Ideen schneller vorantreiben und wünscht sich mehr Mut für nachhaltige Projekte. Sie selbst geht mit gutem Beispiel voran.
MINT: Frau Habenschaden, wo ist München nachhaltig?
Habenschaden: Als erstes fallen mir da die U- und Trambahnen ein: Seit 2018 fahren sie mit Ökostrom aus unseren eigenen Wasserkraftwerken, also zu hundert Prozent klimaneutral. Auch der angepeilten Zero Waste City kommen wir mit großen Schritten näher. So wurde der Einwegmüll bereits drastisch reduziert. In Punkto ökologisches Bauen zählt der Prinz-Eugen-Park zu den Vorzeigeprojekten. Mit dem größten zusammenhängenden Holzbauprojekt Deutschlands ist hier eine Mustersiedlung entstanden. Im Jahr 2035 wollen wir klimaneutral sein. Das schaffen wir auch.
MINT: Sie haben den Bereich Mobilität angesprochen. Muss da nicht noch viel mehr passieren?
Habenschaden: Wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Busse fahren mit Ökostrom und im Sommer wurde mit dem Bau des Altstadt-Radlring begonnen. Natürlich könnte alles schneller gehen und weitere Konzepte müssen entstehen und umgesetzt werden. Genau dafür wurde das neue Mobilitätsreferat gegründet.
MINT: Machen es andere Großstädte besser?
Habenschaden: Von Kopenhagen kann man sich einiges abschauen. Auch dort wurde die Klimaneutralität beschlossen und die Stadt hat einen spannenden Strauß an Maßnahmen gestartet, besonders für Radfahrer. Die skandinavischen Länder haben mehr Mut. Das wünsche ich mir für München auch.
MINT: Im Sommer gab es ja schon viele tolle Lösungen. Die Pop-up-Radwege zum Beispiel. Warum sind die wieder verschwunden?
Habenschaden: Darüber bin ich sehr traurig, denn die Gestaltung war völlig unproblematisch und die Pop-up-Radwege wurden stark genützt. Sicherlich würden sie auch im Herbst und Winter frequentiert werden. Aber die Mehrheit im Rathaus sprach sich dagegen aus. Ich halte das für den falschen Weg. Es muss auf jeden Fall gelingen, sie im Frühjahr wieder zu aktivieren.
MINT: MINT hat die Bayernkaserne genauer unter die Lupe genommen und ist auf innovative Lösungen rund ums Recycling gestoßen. Wie stehen Sie zu dem Projekt?
Habenschaden: Die Bayernkaserne ist ein super Projekt auf dem Bausektor, der hochproblematisch ist. Durch Recycling kann der enorme Ressourcenverbrauch gesenkt werden. Neuer Beton aus altem Beton – das ist ein Segen für die Natur! Denn um an Sand zu kommen, der für Beton benötigt wird, ist ein weltweiter Raubbau entstanden.
MINT: Könnte die Bayernkaserne ein Best Practice Beispiel sein für feste innerstädtische Recyclingzentren?
Habenschaden: Auf alle Fälle. Die Bayerkaserne soll keine einmalige Sache bleiben, sondern ein Vorbild für weitere Bauprojekte in München bzw. für andere Baufirmen.
MINT: Welche Rolle spielt das Projekt Bayernkaserne generell für München?
Habenschaden: Mit der Bayernkaserne sind wir Partner im europaweiten Projekt URGE. Dabei werden innovative Wege gesucht für eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft im Bausektor. Die Bayernkaserne macht das hier im Bereich Recycling bestmöglich vor.
MINT: Ist Klimaschutz eines Ihrer Herzensthemen?
Habenschaden: Nicht nur meines. Die Stadt hat vor einem Jahr den Klimanotstand ausgerufen und das bedeutet, dass in keinem Bereich mehr ein Beschluss gefasst wird, ohne den Klimaschutz miteinzubeziehen. Konkret wird in jedem Einzelfall überlegt, ob eine noch umweltschonendere Umsetzung möglich wäre.
MINT: Sie haben BWL studiert und waren jahrelang bei der Stadtsparkasse beschäftigt. Wie kam es dann zu einer Laufbahn bei den Grünen?
Habenschaden: Grün war ich schon immer. Das mit der Karriere bis hin zur Bürgermeisterin war zunächst nicht mein Plan. Die Idee, zur aktiven Grünen zu werden, wurde während meiner zweiten Elternzeit geboren. Ich startete auf Ortsverband-Ebene, wurde Stadträtin und verantworte jetzt ein tolles Potpourri aus nachhaltiger Wirtschaftspolitik, Umweltschutz und Klimaschutz.
MINT: Wie nachhaltig sind Sie in Ihrem Leben?
Habenschaden: Ich fliege möglichst wenig, radle zur S-Bahn, radle zu Terminen, soweit es geht. Den Dienstwagen nehme ich höchstens mal am Abend, um schnell zu meiner Familie zu kommen. Privat versuche ich mein Bestes, bin aber nicht dogmatisch. Familienurlaub machen wir oft per Zug. Sogar nach Marokko ging es per Bahn. In Punkto Kleidung versuche ich, möglichst viel fair fashion zu kaufen. Einzigartig war das Bye-Buy-Projekt mit einer Freundin, wo wir uns ein ganzes Jahr lang nichts Neues zum Anziehen kauften.
MINT: Verraten Sie uns Ihre Tricks, um trotz Einschränkungen gut durch den Herbst und Winter zu kommen?
Habenschaden: Machen Sie es wie ich: Schauen Sie auf das, was geht, und nicht nur auf das, was nicht geht. Ich bewege mich viel und gehe viel an die frische Luft, fahre in die Berge, lese, treffe Freunde – im erlaubten bzw. empfohlenen Rahmen. Und auf jeden Fall miste ich mal wieder meinen Keller aus.