Nachhaltige Treibstoffe könnten uns künftig ohne Flugscham über den Himmel düsen lassen. Es gibt bereits einige Erfolg versprechende Studien und interessante Strategien.
Man traut es sich fast nicht mehr: nach Bali in den Urlaub fliegen oder schnell mal übers verlängerte Wochenende nach Lissabon. Fliegen ist nämlich ein Klimakiller. Und allein beim Gedanken an eine Flug- reise hebt sich drohend der Zeigefinger. Andererseits ist Fliegen ganz einfach toll. Es verbindet Menschen, Kulturen und Märkte über Kontinente hinweg. Jedoch: Bei jedem Flug werden umweltschädliche CO2-Emissionen ausgestoßen und lange Bänder von Kondensstrei- fen sorgen global für eine wärmende Wirkung. Das ist natürlich nicht länger vertretbar. Zumal die Verkehrsbranche ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 42 Prozent senken und bis 2045 treibhausgasneutral sein muss. So will es zumindest das Deutsche Klimaschutzgesetz.
Ein kleiner Silberstreif am Horizont: die Forschung ist dran. Dran an Lösungen, Studien, Experimenten, Ideen, Konzepten, viel versprechenden neuen Technologien, um die Luftfahrt klimafreundlicher zu machen. Worum es gehen muss, das wissen alle: effizienter fliegen, weniger fliegen, fossiles Kerosin ersetzen durch treibhausgasneutrale Alternativen. Dass manches sogar kurzfristig möglich ist, klingt toll. Die Klimawirkung von Kondensstreifen zu senken etwa. Würde man nämlich mit einer 50-50-Mischung aus Kerosin und nachhaltigem Kraftstoff fliegen, würden sich nur halb so viele Eiskristalle bilden und die Klimawirkung der Kondensstreifen wäre um 20 bis 30 Prozent geringer. Das fanden Forschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR, gemeinsam mit der NASA heraus. Bei Flugversuchen unter realen Bedingungen im Jahr 2018 mit dem DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA und dem NASA- Forschungsflugzeug DC-8.
Nachhaltige Kraftstoffe also. Sustainable Aviation Fuels, SAF. Von Bio-Kraftstoffen, PtL- und PtX-Kraftstoffen ist häufig die Rede. Nebulöse Begriffe für Laien. Was sind das für Kraftstoffe? Wo bekommt man sie her? Und haben wir genug davon bis in alle Ewigkeit? PtX-, Power-to-X-Kraftstoffe, und PtL-, Power-to-Liquid-Kraftstoffe, sind synthetische Kraftstoffe auf der Basis von Strom. Viele Regionen der Erde können sie herstellen. Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze sind PtX-Technologien der Schlüssel für einen klimafreund- lichen See- und Luftverkehr. Der Strom muss natürlich aus grünem Wasserstoff, also aus erneuerbaren Energien, produziert werden. Und was ist mit Bio-Kraftstoffen? Auch die sind natürlich gute Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Doch nachhaltige Biomasse aus Reststoffen etwa oder aus der Forst- und Landwirtschaft ist begrenzt. Vielleicht also doch lieber Kurs auf strombasierte Kraftstoffe nehmen? Beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V., dem Sprachrohr der gesamten deutschen Luftverkehrswirtschaft, setzt man jedenfalls auf PtL-Kerosin, wie Pressesprecherin Claudia Nehring betont. Und vom klimaneutralen Fliegen möchte man dort auch nicht so gern sprechen. Das Ziel sei das CO2-neutrale Fliegen.
Da geht also was! Auch das Bundesumweltministerium mischt kräftig mit und unterstützt die Weiterentwicklung von PtX-Technologien in verschiedener Weise. So wurde im März 2021 das PtX Lab Lausitz gegründet, das Praxislabor für Kraft- und Grundstoffe aus grünem Wasserstoff. Es liegt in Cottbus und soll Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität unterstützen, Konzepte erarbeiten, Kooperationen anstoßen, Impulse geben und Wissen bündeln. Auf der Plattform gibt es zudem spannende News zu lesen wie Anfang Oktober über die Einweihung der neuen Produktionsanlage für CO2-frei hergestelltes Kerosin im niedersächsischen Werlte. Har- ry Lehmann, der Leiter des PtX Lab Lausitz, war selbst vor Ort und konnte sich über die Details der Anlage informieren. Sie wurde von der Klimaschutzorganisation Atmosfair in Zusammenarbeit mit vielen beteiligten Unternehmen am Standort umgesetzt. Der erneuerbare Strom für die Produktion des synthetischen Flugzeugkraftstoffs kommt von Windrädern aus der Umgebung im Emsland. Das ebenfalls benötigte CO2 aus einer Biogasanlage für Lebensmittelreste und ein bisschen aus der Umgebungsluft. Mit der neuen Anlage in Werlte soll erstmals weltweit grünes Kerosin im größeren Maßstab produ- ziert werden. Bis es zu einem breiten Einsatz in der kommerziellen Luftfahrt kommt, wird es allerdings noch ein wenig dauern. Aber immerhin: Wir sind ein Stückchen weiter auf dem Weg in die nächste Flugreise ohne Gewissensbisse.