Auf eine gute Zukunft!

Tristan Horx, Jahrgang 1993, hat Kultur- und Sozialanthropologie studiert und bezeichnet sich gern als Wanderprediger. Mit dem Thema „Trend“ ist er aufgewachsen: Sein Vater, Matthias Horx, hat 1998 das Zukunftsinstitut gegründet und gilt als international führender Ansprechpartner rund um die Fragen zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Seine Mutter, Oona Horx-Strathern, ist Wohnexpertin und hat erst kürzlich ihren jährlichen Home Report herausgegeben.
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Tristan Horx, Keynote-Speaker, Autor, sanfter Rebell, kommt aus der wohl bekanntesten Zukunftsforscher-Familie Europas, postuliert eine Blaue Ökologie statt einer Grünen und findet Autos und Flugzeuge toll. MINT sprach mit ihm über Megatrends, Generationenbilder, Corona, Mobilität und wie er in 20 Jahren leben will.

MINT: Der Begriff Megatrend ist weit verbreitet. Was versteht man darunter?

Horx: Ein Megatrend ist eine große, lang anhaltende Welle, also ein langfristiger Trend, im Gegensatz zu kurzlebigen Hypes. Anders ausgedrückt: Megatrends sind Revolutionen in Zeitlupe. Sie laufen 50 Jahre und mehr, sind global und ubiquitär, das heißt in allen Lebensbereichen messbar. Megatrends dienen als Basis für zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte.

MINT: Von wie vielen Megatrends sprechen wir?

Horx: Wir vom Zukunftsinstitut arbeiten mit 12 Megatrends. Sie sind alle miteinander verknüpft, hängen also irgendwie zusammen. New Work ist einer davon, andere sind Neo-Ökologie, Urbanisierung, Silver Society und Mobilität.

MINT: Ist die Corona-Krise ein Megatrend?

Horx: Nein und sie hat auch keine weiteren Megatrends geschaffen. Aber sie hat neue Trendbewegungen ermöglicht und bisherige be- oder entschleunigt. Für vier Trends gab es geradezu turboartige Veränderungen: Ökologie, Regionalisierung, New Work, Digitalisierung. Der Megatrend Urbanisierung gehört einerseits zu den Verlierern, andererseits zu den Gewinnern. Die Menschen waren in ihren Wohnungen eingesperrt, in teils zu kleinen, grauen Gefängnissen, und zum ersten Mal seit Jahrzehnten konnte man das Phänomen der Stadtflucht beobachten. Auf der anderen Seite rückte das Leben in der Großstadt in den Fokus bzw. in die Kritik. Wollen wir wirklich so weiterleben? Was könnten wir verbessern? Brauchen wir mutige neue Bauprojekte? Generell ging auf einmal ganz schnell ganz viel, was vorher nur maue Theorie war – die Wirtschaft runterfahren, weniger oder gar nicht mehr verreisen, im Homeoffice arbeiten, bewusster konsumieren.

MINT: Gehört das Holzhybrid-Ensemble VINZENT zu einem dieser mutigen Konzepte für eine lebenswerte Zukunft in der Großstadt? Wir stellen das Projekt in dieser Ausgabe vor.  

Horx: Natürlich könnte man so einigen Presseberichten recht geben, die VINZENT als elitär bezeichnen. Meiner Meinung nach braucht man jedoch derartige Projekte. Als Vorbild, als wegweisenden Ansatz. Bei VINZENT wird das Rad nicht neu erfunden. Holzbau in einer innerstädtischen Lage in Neuhausen zu verwirklichen ist wohl eher die Pionierleistung. Für München erachte ich das Projekt auf jeden Fall als revolutionär.

MINT: Können Sie das präzisieren?

Horx: Die Projektbeteiligten beweisen Mut, all den Reglementierungen und schwierigen Rahmenbedingungen Paroli zu bieten – Stichwort Brandschutz! VINZENT besteht ja aus sehr viel Holz. Außerdem ist die Möglichkeit zum Coworking gegeben, ganz im Sinne des Megatrends New Work. Und es gibt ein intelligentes Mobilitätskonzept rund um Sharingangebote, Fahrradstellplätze, Ladestationen – und das im nach wie vor Auto-dominierten München!

MINT: Da kommen wir gleich zum nächsten wichtigen Megatrend: Mobilität. Hat die Corona-Krise hier etwas verändert?

Horx: Vorübergehend ja. Die Mobilität war ja maßgeblich eingeschränkt. Doch das Mobilitätsbedürfnis ist nach wie vor da und wird wieder bzw. weiter steigen. Vor allem global gesehen. Allerdings in anderer Form – siehe Elektroauto & Co. Entscheidend ist hier das richtige Verkehrsmittel für eine bestimmte Strecke: Zug oder E-Auto statt Kurzstreckenflug, Fahrrad statt Auto.

MINT: Welche Fortbewegungsmittel benützen Sie?

Horx: Ich bin viel unterwegs und muss für weite Strecken auch manchmal den Flieger nehmen. Innerstädtisch ziehe ich das Fahrrad vor oder meinen i3. Für alles über 400 Kilometer nehme ich den Tesla.

MINT: Finden Sie, dass die Autobranche genügend unternimmt in Sachen Nachhaltigkeit?

Horx: Die Autobranche in Deutschland hat hier ein wenig geschlafen. Aber so langsam kommt Fahrt auf. Allerdings hagelt es auch Kritik, was ich zum Teil schwierig finde. Klar bleibt ein Auto ein Auto und ist nicht superökologisch und auch ich warte noch auf den großen Durchbruch. Aber Naturmaterialien und Elektromotoren sind gute Ansätze! Man muss nicht alles verteufeln oder gar abschaffen, was nicht sofort zu hundert Prozent fantastisch ist. Die Dinge verbessern, neue Wege gehen, einfach mal anfangen – darum geht es doch. Und sind wir doch mal ehrlich: Autos sind geil! Sie sind nicht nur böse, vor allem, wenn endlich mehr in Richtung Umweltfreundlichkeit geht. Ich werde demnächst ein Wasserstoffauto testen. Allerdings gibt es nur fünf Ladestationen in ganz Österreich. Da ist man bei der Elektromobilität entscheidend weiter.

MINT: Ist nachhaltige Mobilität ein Generationenthema?

Horx: Auf jeden Fall. Das Auto war lange Zeit ein Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. Hinfahren, wohin man will und so schnell man will, spielte eine entscheidende Rolle. Zudem war oder ist das Auto ein Statussymbol. Die Generation Y tut sich leichter, auf ein Auto zu verzichten.

MINT: Aufs Fliegen sollte man ja auch verzichten, wenn man ein echter Umweltfreund ist.

Horx: Das ist ein schwieriges Thema. Fliegen ist ja auch was Tolles! Ich fliege für mein Leben gern und wie bestimmt viele andere verspüre ich seit den Einschränkungen durch die Pandemie einen großen Nachholbedarf, wähle auf jeden Fall einen Fensterplatz und starre fasziniert hinunter auf die Erde. Dennoch: Auch hier müsste etwas in Richtung Umweltschutz unternommen werden. Die Kosten sind hier allerdings extrem hoch. E-Fuel wäre vielleicht eine Möglichkeit.

MINT: Müssen wir auf etwas verzichten, um das Leben lebenswerter zu machen, um die Menschheit zu retten?

Horx: Verzicht hat einen negativen Beigeschmack. Verzicht wird häufig assoziiert mit Entbehrung, Mangel, Mühe, Schuld oder Angst. Sagen wir doch lieber: Minimalismus, Purismus oder Achtsamkeit. Ich als Zukunftsforscher sehe es jedenfalls als meine Aufgabe, eine Zukunft zu schaffen, auf die man Lust hat. Es geht nicht nur darum, den Untergang zu vermeiden, sondern sich auf die Zukunft zu freuen. Wir haben den Begriff der Blauen Ökologie ins Leben gerufen. Im Gegensatz zur Grünen Ökologie, wo es um Dinge wie „Es gibt zu viele Menschen“ oder „Wir produzieren zu viel Müll“ geht, sagt die Blaue Ökologie etwa: „Der Mensch ist Teil der Natur“ und „Es gibt (noch) zu wenig gute Systeme“.

MINT: Wie möchten Sie in 20 Jahren leben?

Horx: Geborgen. Mit einem Gefühl der Verbundenheit. In der Nähe einer Stadt, schön in der Natur, in einem Haus aus Glas und Beton mit wenigen Möbeln und nicht zu viel Smart-Home – Alexa kommt mir nicht ins Haus, dafür möchte ich meine Nachbarn kennen. Ein E- oder Wasserstoffauto, ein tolles Rennrad und ein Stadtrad wären mein Traum. Ein Statement zu meiner Ernährung möchte ich dann nicht mehr machen müssen – das muss in 20 Jahren durch sein. Aber klar: Fleisch von gequälten Tieren kommt mir nicht auf den Tisch.

Mehr über Tristan Horx gibt es hier: https://www.tristan-horx.com und hier: https://www.zukunftsinstitut.de

Tristan Horx ist mit dem Thema „Trend“ aufgewachsen: Sein Vater, Matthias Horx, hat 1998 das Zukunftsinstitut gegründet und gilt als international führender Ansprechpartner rund um die Fragen zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Carolin Fried

MINT-Redaktion