Think green, act green – die Baubranche im Wandel der Zeit

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Nachhaltigkeit in der Ingenieursbranche hat viele Facetten. Allein in den Bereichen Abbruch, Recycling und Emissionen gibt es zahlreiche Herausforderungen, Chancen und Probleme. MINT sprach darüber mit Dipl. Geologe Peter Nickol, Vorstandsvorsitzender von Nickol & Partner.

Peter Nickol und sein Team sind spezialisiert auf Projekte in Bereichen wie Umwelt und Flächenrecycling

Herr Nickol, Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde. Wie zeigt sich das in der Baubranche?

Im Bereich Recycling passiert schon einiges. Material aus dem Rückbau und dem Bodenaushub wird etwa so aufbereitet, dass es gefahrlos weitergenutzt werden kann. 

 

Welche Materialien können das sein und wie werden diese weitergenutzt?

Derzeit wird Beton beim Abbruch leider in der Regel in Deponien bzw. Gruben entsorgt oder als minderwertiges Baumaterial im Erdbau verwendet. Durch neuartige Verfahren und durch eine abgestimmte Qualitätskontrolle kann der Beton sortenrein in seine Bestandteile getrennt, zerkleinert und wieder in den Baukreislauf zurückgeführt werden. Dies gilt auch für alle Ziegelbauwerke.

 

Bei welchen Ihrer Projekte wird oder wurde das umgesetzt?

Dies wurde bereits rudimentär beim Rückbau des Flughafens München-Riem vor 30 Jahren umgesetzt, hier konnte bereits ein Großteil der Abbruchmaterialien auf dem Gelände wiederverwertet werden. Und jetzt aktuell wird die ehemalige Bayernkaserne in München exemplarisch aufgearbeitet. Hier wird Beton rezykliert, d.h. es wird „echter“ RC-Beton hergestellt. Es werden Ziegel und Boden so aufbereitet, dass ein für den Grünanlagenbau verwendbares Substrat entsteht, das bessere Eigenschaften aufweist als ein natürlicher Münchner Boden.

 

Finden Sie, die Baubranche arbeitet hier bereits zeitgemäß, also im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, oder könnte noch mehr passieren?

Nach meinem Ermessen könnte die Baubranche bereits jetzt viel mehr Material technisch wiederverwerten. Es fehlen leider noch der Wille der Bauherren und die gesellschaftliche Akzeptanz. Auch ist der gesetzliche Rahmen nach wie vor schwierig, die neue Ersatzbaustoffverordnung wird die Wiederverwertung nach meinem Ermessen eher erschweren als vereinfachen.

 

Was bringt es, im Bereich Abbruch und Bau nachhaltiger zu arbeiten?

Die nachhaltigste Form des Bauens wird sicherlich die Erhaltung und Sanierung von Gebäuden sein. Sofern Gebäude und Objekte rückgebaut werden müssen, weil sie nicht wirtschaftlich oder ökologisch erhaltenswert sind sollten sie als Rohstoffquelle betrachtet werden und nicht als störender Abfall. Es muss ein Paradigmenwechsel standfinden. Kies und Sand sind inzwischen knappe Ressourcen, die in den Altbeständen nur zwischengespeichert sind. Jeder Transportkilometer, der eingespart wird spart Treibstoff und erniedrigt den CO²-Ausstoß und verbessert somit das Klima.

Abbruchbirne war gestern. Heute werden brauchbare Materialien recycelt und weiterverwertet
Sortenreiner Abbruch sollte die Regel sein, ist aber vielerorts immer noch bahnbrechend

Sie machen Ihren Job seit über 30 Jahren und sind so etwas wie ein Altlasten-Pionier. Inwiefern?

Während meines Geologie-Studiums in Münster schrieb ich an einer Promotionsarbeit über Altlasten im Ruhrgebiet. Altlastenuntersuchung war in den 80er-Jahren noch wenig relevant. So kam ich als Experte nach München und arbeitete hier in einem von zwei Ingenieurbüros, die sich damals überhaupt mit dem Thema beschäftigten. 1991 wagte ich den Sprung in die Selbständigkeit. Da war ich 34 Jahre alt.

 

Das ist mutig. Hatten Sie denn schon einen Kunden? 

Wir hatten Glück. Auf Grund eines neuen Gesetzes in Deutschland mussten Tankstellen in Sachen Altlasten ins Visier genommen. Unser anfangs noch sehr kleines Team wurde mit einer Untersuchungsreihe für Agip beauftragt. Daraus entwickelte sich ein gutes Geschäft, da uns in der Folge auch Aral, Shell, Elf und Esso beauftragten. Auch Minol in der damaligen DDR. In den 90er-Jahren war Nickol & Partner der größte „Tankstellenuntersucher“ in Bayern.

 

Wie ging es nach dem Tankstellenprojekt weiter?

Ende 1991 folgte eine weitere spannende Herausforderung: der Flughafen Riem. Wir waren in Sachen Voruntersuchungen mit an Bord. Wir wollten aber mehr. Schließlich gab es hier bergeweise spannende Arbeit rund um die Flächenfreimachung und das Projektmanagement. Dank der Arbeitsgemeinschaft mit anderen Partnern konnten wir uns gegen größere Konkurrenten durchsetzen und begleiteten das Projekt zehn Jahre lang. Riem war eine große und ungewöhnliche Aufgabe. Erstmals hatten wir auch mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs zu tun, denn im Rahmen des Altlastenmanagements wurden über 20 Blindgänger aus dem Boden geborgen.

 

Aber auch Riem war mal beendet. Was kam dann?

Mitte der 90er-Jahre hielt ich zahlreiche Fachvorträge. Einem Mitarbeiter der Bahn AG gefiel das offenbar. Und weil gerade zwischen München Hauptbahnhof und Pasing zahlreiche Erkundungen und Bewertungen stattfinden mussten, holte man uns ins Boot. Auch diese Aufgabe war riesig. Tausende Untersuchungen und bis zu zehn Ingenieurbüros galt es zu steuern. Relevante Geoinformationssysteme für die Erfassung der Altlasten wurden damals erst von uns implementiert. Damit hatten wir unseren ersten großen Vertrag mit der Bahn. Wir dürfen die Deutsche Bahn noch heute unterstützen.

 

Bleiben wir bei der Bahn. Was macht diesen Kunden so besonders?

Die Aufgaben sind hier sehr speziell. Die Bahn ist einer der größten Grundeigentümer in Deutschland und es gibt mit dem Eisenbahn-Bundesamt eine eigene Zulassungsbehörde für die Bahn. Zudem wurden durch die Vereinigung der Deutschen Bundesbahn mit der Reichsbahn Flächen freigesetzt, die nicht mehr „betriebsnotwendig“ waren. Die Flächenfreimachung erforderte besondere Maßnahmen vor der Neunutzung.

 

Welche Projekte gehören zu Ihren spektakulärsten?

Eines unserer Leuchtturmprojekte war sicherlich der ehemalige Flughafen in Riem. Allein wegen der Ausmaße: Riem war die größte Fläche, die jemals in München freigemacht wurde. Auch bei Audi in Ingolstadt waren wir involviert, einem der bisher größten deutschen Sanierungsprojekte. Interessant war es auch mit einer ehemaligen Chemiefabrik in Pasing. Hier wurde eine große innerstädtische Altlast saniert, gesichert und mit Wohnungen überbaut. Uns oblagen Prüfungen, Untersuchungen, Sanierungsplan, Projektbegleitung und Monitoring. Aktuell sind wir auch beim spannenden Großprojekt auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne im Münchner Norden beteiligt. Hier helfen wir beim Massenmanagement von Bauschutt und Boden, bei der Altlastenbewältigung und bei der geotechnischen Beratung des Straßenbaus.

 

Ein finaler Satz zu möglichen Lösungen und Visionen? 

Noch nachhaltiger arbeiten im Bereich Beton- bzw. Baustoffrecycling und das Gesetz befolgen: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz schreibt einen sortenreinen Abbruch vor. Die Abrissbirne ansetzen und den Schutt in ferne Deponien fahren, ist nicht mehr erlaubt.    

Flächenreycycling einer ehemaligen Bahnfläche in Garmisch-Partenkirchen
Rezyklierter Beton auf der Baustelle Bayernkaserne mit verschiedenen Siebschnitten

Carolin Fried

MINT-Redaktion